A TRIBE CALLED KNARF | JENS FRIEBE | CHRIS IMLER Bi Nuu, Berlin am 08.12.16

Donnerstag 08.12.16
Einlass: 19:30, Beginn: 20:30
Bi Nuu, U-Bahnhof Schlesisches Tor, 10997 Berlin

Tickets – A TRIBE CALLED KNARF | JENS FRIEBE | CHRIS IMLER Berlin


Informationen

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A TRIBE CALLED KNARF:


13 Punkteprogramm zur Erklärung von A Tribe Called Knarf


1. Der Name: A Tribe Called Knarf ist natürlich eine Verneigung vor den Hiphop Erneuerern A Tribe Called Quest, jedoch ist A Tribe Called Knarf kein Hiphop, sondern die Wahl des Namens eine Hommage an die Expermentierlust von ATCQ. Und wieder ein Wechsel des Namens (nach Knarf Rellöm With The Shi Sha Schellöm, Knarf Rellöm Trinity, Knarf Rellöm Org und 20 anderen Namenskreationen).
Nur Eines bleibt gleich: die ewige Veränderung. Und alles nur um das Tempo hochzuhalten und die Musikindustrie vor sich her zu treiben.
2. Der Titel: "Es ist die Wahrheit, obwohl es nie passierte".
Die Band glaubt hierin die Essenz ihres Schaffens gefunden zu haben: Herstellung von Wahrheit, die nie stattgefunden hat.
3. Der Stil: kapitalistischer Realismus. Punkt. Kein Wort mehr!
4. Das Cover: ein Bild des Künstlers Jörg Zboralski, der das Bild schwarzer Kreis von Kasimir Malewitsch zitiert. Zboralski ist philosophisch mit der Band verbunden.
5. Die Bandmitglieder: DJ Patex, Bass, Gitarre, Gesang, Synthesizer. Bekannt auch durch ihre Band School of Zuversicht und ihre Arbeit als DJ.
Viktor Marek, Schlagzeugmaschinen, Effekte, Synthesizer, Produktion und Gesang. Bekannt auch durch die Kings Of Dub und Zusammenarbeit mit Ashraf Khan und Hajusom.
Knarf Rellöm, Bass, Gitarre, Gesang, Synthesizer. Bekannt auch durch Huah!, Die Zukunft und die Umherschweifenden Produzenten.
6. "Bassline, That Was So Fine": Mein täglich faschistisch Blatt gebe mir heute.
7. "Praxis Of Love“:
Warum spielt das in der Popkultur eine so große Rolle, die Errettung durch die Liebe?“
8. "Mein Nachbar ist ein Alien": Was sollte er schon tun in seiner Lage, er baute ein Raumschiff dort in der Garage.
9. "Gender Be Good“: You Think I'm A Woman, Cause I Talk Like A Woman, But I'm A Man.
10. "Die Nacht oder eine Maschine mit einem Fehler": Immer wenn es aussieht, wie das Ende der Menschheit, dann kommt etwas Neues.
11. "I Wanna Be Like You": Du stehst auf der Bühne, ich im Publikum.
12. "Geschichte der Menschheit, Teil 17: Krieg": Eigentlich da bin ich gegen Krieg, aber die da oben machen ja doch was sie wollen.
13. "Meine Füße sind der Keller“: Ich bin ein Haus, aus meinem Arsch kommt Geld.



CHRIS IMLER:




Chris Imler wuchs, auch wenn man es sich heute nicht mehr vorstellen mag, in Augsburg auf, einem Schmelztiegel der Kulturen, einem Ort, wo sich bayrisches Hinterwäldlertum und schwäbisches Arbeitsethos „Grüß Gott“ sagten. Viertelungar sowie Schlüssel- UND Sandwichkind einer alleinerziehenden Mutter, entwickelte Imler schon in frühen Jahren seinen ganz eigenen Blick auf die süddeutsche Gesellschaft, einen Blick, der etwa sagte: „So nicht ihr Arschlöcher, nicht mit mir. Ich weiß ja auch nicht, wie es geht, aber SO nicht!“


ADHS war damals noch nicht erfunden, und statt Retalin gab es Schläge mit dem Lineal auf die Fingerkuppen und seelische Grausamkeit. Doch keine der Repressalien zeigten bei Imler Wirkung, - ganz im Gegensatz zu den französischen Arthouse-Filmen, die spät nachts um elf im Fernsehen kamen, und der verbotene Musik aus Amerika. Der Weg des größten Widerstands war vorgezeichnet, Imler ging ihn. Nachdem er folgerichtig mit 15 vom antihumanistischen Gymnasium geflogen war und sich in einer Steinmetzlehre für die kommenden Strapazen physisch gestählt hatte, reiste und riss er aus nach Berlin. Berlin Kreuzberg, genau gesagt, dem damals noch härtesten und schon lustigsten Pflaster Deutschlands (mindestens). Und lustig sollte es, bei aller gebotenen Härte gegen die Polizei auf der einen und dem eigenen Körper (wenn der mit Schwindel oder Skorbut wieder mal eine gesündere, womöglich Speed- ärmere Ernärung zu erpressen versuchte) auf der anderen Seite, doch bitteschön zugehen. Für trübseligen Ernst war Imler nie zu haben, weder für den der finsteren Aktivisten, noch für den der nihilistisch triefäugigen Blixa Bargeld- und Nick Cave-Wannabes. Er wollte das Systemzersetzende immer mit dem Angenehmen verbinden, so zum Beispiel als er zur finanziellen Rettung einer linksradikalen Gaststätte vorschlug, man möge ein Errektionsbingo veranstalten (sechs Männer, deren Geschlecht jeweils lediglich von einem kleinen Vorhang verborgen wird, schauen Pornos auf der Bühne. Im Publikum sind nur rothaarige Frauen und wetten, welcher Vorhang sich zuerst hebt).



Aber vor allem anderen war und ist Chris Imler natürlich Musiker. Die erste große Furore machte er um die Wendejahre herum als Drummer der „Golden Showers“, die die deutschen Cramps zu nennen, wohl für die Cramps etwas schmeichelhaft wäre. Leider sind ihre Auftritte kaum dokumentiert, da alle Angst hatten, ihre Kamera der Hölle auszusetzen, die losbrach, wen die „Showers“ (Fan-Jargon) loslegten. Selbst von den Notizblöcken der Journalisten blieb oft nicht mehr als ein blut- und bierdurchtränkter Klumpen Zellstoff. Zum Glück haben wir immerhin die Hymnen der glasigen Augenaugenzeugen. Imler festigte in den Folgejahrzehnten seinen Ruf als wildester, schönster und bester Schlagzeuger der Stadt, spielte für so unterschiedliche Künstler wie Peaches, Maximilian Hecker, Oum Shatt oder „Die Türen“, und sogar dem musikalisch bis dahin biederen (wenn auch durchaus brillanten und sexuell anziehenden) Chansonier Jens Friebe drückte er in zäher, fruchtbarer Zusammenarbeit seinen verwegenen Stempel auf. Doch auch als Sänger, Texter und Komponist führt die Gema den Namen Imler nicht erst seit gestern. Mit dem renommierten Elektromusiker Patric Catani veröffentlichte er 2011 unter dem Moniker Driver & Driver das Monumentalwerk „We are the World“. Der TV- Seelsorger Domian schrieb dazu in der Intro: „Zack! Ich bin dabei! Als alter DAF-Fan muss ich die Jungs gut finden. Abseitige Texte und hypnotischer Sound. „Ich hab dir Kuchen mitgebracht“ ist mein Satz für die nächste Liebeserklärung.“


Nun war es Zeit für den letzten Schritt, den Schritt zur totalen Freiheit und Selbstbestimmung. Man könnte auch sagen: Anarchie. Und anarchisch war die Ein-Mann-Show, mit der Imler in den letzten Jahren nicht nur Berlin, sondern besonders Italien, Frankreich und Belgien in Aufruhr versetzte, allerdings. Angetan wie eine Mischung aus Saloon-Barfly, Partisane und Schamane, schlug er auf dem Standschlagzeug rauschhafte Rhythmen, schoss krasseste Samples mit seinen Elektropads ab, sang mit verfremdeter Stimme schwer Verständliches und blies die Trompete. Jederzeit konnte alles passieren, die Ansagen sprühten vor Irrsinn und Witz. Wie, fragte man sich, will er das jemals auf Platte bringen.


Jetzt ist diese Platte da. Produziert hat sie Krautpop- und Noise-Gott Schneider TM. Ihr Name ist Programm für Chris Imlers Wesen und Wirken. Nervosität als angemessene Haltung gegenüber einer gleichzeitig bedrohlichen wie aufreizend öden Wirklichkeit, Nervosität als berechtigte Panik und produktive Unruhe, alles das steckt drin in diesem Titel, diesem Mann, diesem Album. Wie von Imler zu erwarten, gibt es einige Überraschungen.


Erstens: Ein Großteil der Beats ist programmiert, nicht gespielt. Ist das nicht so, als hätte Hendrix ein Klavieralbum gemacht? Nein, denn Hendrix konnte kaum Klavier spielen, Imler aber programmiert wie ein junger Gott.


Zweitens: Der seltsame Englisch, das man live nie verstanden hatte, entpuppt sich in den meistens Fällen als Deutsch. Die Texte sind ausgefeilt, geistreich und abgründig. Das Politische und das Private, das Heilige und Profane durchdringen sich ständig aufs Unvorhersehbarste. „Ich bin nur ein einfacher Arbeiterjunge/komm schon pfeif mir hinterher/Ich bau die Städte und die Betten/Und den fließenden Verkehr“ heißt es etwa in „Arbeiterjunge“, einer surrealen Hymne zwischen utopischer Pornographie und dystopischer Propaganda. Hinter dem scheinbar anzüglichen „Ausziehen“ verbirgt sich andererseits lediglich eine präzise Milieustudie über prekäres Wohnen.


Drittens. Der bekannten Atmosphäre von Krawall und Gefahr (wie sie sich etwa in dem sogkräftigen Siebenminutenstück „Aging“ sogkräftig entfaltet) ist eine ganze Welt neuer Fassetten – farbige, fröhliche, zarte, geheimnisvolle – zugesellt. Süß lullen einen die Glocken bei „Norwegen“ ein, und ********** entführt uns mit wunderlichen Skalen und Metren in ein Nordafrika, das es so nie gab. Und selbst vor ultrakommerziellem Radiopop hat Imler keine Berührungsangst. Er hat nur schlicht keinen Bock drauf. Für alle, denen es ähnlich geht, ist dieses große Album.